Das Haus Wettin, dem ich angehöre, regierte 829 Jahre in ständiger Folge in der Mark Meißen und später im Kurfür­stentum und Königreich Sachsen.

In dieser langen Zeit blicken die Wettiner auch auf eine große Jagd-Tradition zurück. Ihr Ruf als besonders gute Jäger war im ganzen Reich verbreitet. Schon im Jahre 1350 verlieh der Kaiser dem Markgrafen von Meißen, Friedrich dem Strengen, das Erzjägermeister­amt des Heiligen Römischen Reiches. Damit war der säch­sische Regent der erste und höchste Jäger des Reiches. Sein besonderes Recht war: »Auf aller anderen Herren Wild­panne (Wildbahn) mit seinen Jägern und Hunden zu fol­gen, wenn er wollte, und auf seiner Wildpanne sollte des­selben Folge niemand haben.« Mit anderen Worten, der Erzjägermeister hatte das Recht, überall zu jagen, wo er wollte, im ganzen großen Reich.

Als Friedrich der Streitbare, der erste Kurfürst aus meinem Hause, 1417 am Konzil von Costnitz teilnahm, betonte er seine Würde als Erz Jägermeister in besonderer Form, in­dem er sich beim feierlichen Einzug verschiedenartige Jagdfalken voraustragen ließ. August der Starke wurde im Jahre 1708 durch Kaiser Jo­seph als Erzjägermeister bestätigt, und 1800 verzichtete sein Urenkel, Kurfürst Friedrich August III., freiwillig auf die Ausübung der Jagd außerhalb seines Herrschaftsberei­ches. Somit hatten die Regenten aus meinem Hause genau 450 Jahre die höchste jagdliche Würde im Reiche inne.

Im frühen und späteren Mittelalter war der größte Aus­druck des fürstlichen Waidwerks die Jagd zu Pferde mit Falken. Ende des 15. bis Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Technik der Armbrust wesentlich verbessert; in diese Zeit fielen die eingestellten Jagden und Wasserjagden, die in Sachsen besonders gebräuchlich waren und die Cranach der Ältere gemalt hat. Die sächsischen Kurfürsten der Zeit waren als besonders treffsichere Schützen mit dieser Waffe bekannt. Ein bemerkenswerter fürstlicher Waidmann der Mitte des 16. Jahrhunderts war Kurfürst August, vom sächsischen Volk »Vater August« genannt. Sein besonderes Interesse galt der Bejagung starker Hirsche in der freien Wildbahn. Er war durchaus den damaligen Jagdsitten abhold: Sie be­standen im Massenabschuss meist eingefangenen Wildes in der Residenz. Kurfürst August bejagte den Hirsch in der Brunft. Da sein Jagdgebiet ungeheure Flächen umfasste und er darauf Wert legte, nur die stärksten Rothirsche zu erlegen, so richtete er ein besonderes Meldesystem ein. Alle Förster und Jäger mussten über die stärksten Hirsche be­richten, und zwar auf haltbaren Pergamentzetteln. Darauf war zu melden: Endenzahl des Hirsches, Stärke, Revier, Einstand und Besonderes. Diese Zettel wurden durch Rei­ter nach Dresden gebracht, anhand derselben orientierte sich der Kurfürst über die stärksten Hirsche seines Jagd­bereichs. Dann fasste er seine Entschlüsse.

Ich habe eine ganze Sammlung dieser Berichte im Haupt­staatsarchiv in Dresden gefunden. Das gleiche Interesse hatte Kurfürst Christian II., der zwei Kapitalhirsche erlegte, die im Moritzburger Speisesaal hängen. In jeder Generation meiner Familie gab es leiden­schaftliche Jäger. Nach dem unglücklichen Ausgang des Krieges von 1813 verlor Sachsen über die Hälfte seines Be­sitzstandes, und der König büßte dabei auch sehr nennens­werte Jagdgebiete ein, darunter die große Annaburger Heide mit dem Jagdschloss Annaburg, dem Lieblingsrevier der sächsischen Kurfürsten. Bei der Verfassungsgebung in Sachsen verzichtete der Kö­nig freiwillig auf seinen gesamten persönlichen Grundbesitz zu Gunsten des Staates. Die Jagd in bestimmten Forstrevieren wurde dann vom König für eine niedrige Pachtsumme gepachtet. Der gesamte Hofjagdbetrieb unterstand dem Oberhof­jägermeister.

Nur mein Urgroßvater, König Johann, war wohl der einzige König im 19. Jahrhundert, der keine eigentliche Jagdpassion hatte. Ihn fesselten mehr Wissen­schaften und Literatur. Hingegen war sein Bruder, König Friedrich August II., ein leidenschaftlicher Jäger, ebenso mein Großonkel, König Albert, und mein Großvater, Kö­nig Georg. Quelle: Auszug aus „Mein Jagdbuch“ von Prinz Ernst Heinrich von Sachsen.

Das Jagdschloss Moritzburg

SchlossMoritzburg2

Man kann die Moritzburg bestimmt als eines der schön­sten Jagdschlösser Deutschlands bezeichnen, wenn nicht als das schönste überhaupt. Das ist sicher keine Übertreibung, weist es doch eine großartige Architektur auf und eine besonders interessante Inneneinrichtung. Kurfürst Moritz von Sachsen erbaute es Mitte des 16. Jahrhunderts und gab dem Schloß seinen Namen.

Am Friedewald, zwischen zwei Teichen gelegen, entstand nun erst ein kleines Jagdschloß mit den typischen Giebeln der deutschen Renaissance. Aber es war nicht nur für den fürstlichen Jagdaufenthalt bestimmt, sondern hatte außer­dem noch militärische Bedeutung. Es wurde von vier Wehrmauern mit Schießscharten umgeben, mit vier Eck­türmen, und war nun ein durch das Wasser geschütztes schwer angreifbares Sperrfort an der wichtigen Straße von Dresden nach Brandenburg.

100 Jahre lang hören wir sehr wenig über die Moritz­burg. Unter Kurfürst Johann Georg III., der mit König Jo­hann Sobieski Wien von den Türken befreite, rückte Mo­ritzburg wieder in den Vordergrund. Der Kurfürst veran­staltete dort Jagden und bewohnte zeitweise das Schloss. Auf diese Weise kam sein Sohn, der nachmalige Kurfürst August der Starke, König von Polen, mit der Moritzburg in Berührung und lernte sie näher kennen. Als er an die Regierung kam, entschloss er sich, das kleine Jagdschlöss­chen umzubauen und es zu einem repräsentativen Schloss zu gestalten, das neben dem Jagdaufenthalt größeren höfi­schen Veranstaltungen dienen sollte. Er beauftragte den Architekten des Zwingers in Dresden, Daniel Pöppelmann, einen Plan für den Umbau des Schlosses zu entwerfen, der dann nach einigen persön­lichen Änderungen des Kurfürsten die Grundlage für den Umbau darstellte. Die vier Türme wurden wesentlich er­höht und mit dem Schlossgebäude verbunden.

Geweihe

So entstand das Jagdschloss Moritzburg in seiner heutigen Gestalt. August der Starke gab ihm bei seiner Inneneinrichtung einen besonderen jagdlichen Charakter, der in drei der vier großen Säle seinen Ausdruck fand. Im neu entstan­denen großen Speisesaal wurden über 50 hochkapitale vielendige Hirschgeweihe auf holzgeschnitzten barocken Köpfen angebracht, und trotz der Fülle wirkt der Raum harmonisch. Die höchste Endenzahl beträgt 50, und keine Geweihe unter 24 Enden sind vorhanden. Ich bin der Frage nachgegangen, woher diese Hirsche stammten, und bin zu folgendem Ergebnis gelangt. Mit Ausnahme einzelner ge­schenkter Geweihe handelt es sich um die Sammlung der stärksten und vielendigsten Geweihe, die in drei Jahrhun­derten im Kurfürstentum erbeutet wurden. Das beweist, dass man auch in diesen Zeiten die kapitalen Geweihe schätzte, achtete und der Nachwelt überlieferte.

Ich glaube jedoch, dass die Vielendigkeit damals die Haupt­rolle spielte. Einer der bemerkenswertesten Hirsche im großen Speise­saal ist ein Drei-Stanger 32 Ender, der drei gleiche völlig entwickelte gute Stangen mit langen Enden hat. Ein anderer Hirsch ist einstangig, die zweite Stange fand Verwendung, um den »Willkommen« zu trinken. In der Krone befindet sich eine erstaunlich große Vertiefung, die eine ganze Flasche Sekt aufnehmen kann. Der Monströsensaal hat seinen Namen von den aus­schließlich monströsen Geweihen, die sich darin befinden; man kann sie auch als abnorm oder regelwidrig bezeich­nen. Sie sind auf vergoldete geschnitzte Köpfe aufgesetzt und passen sich, spärlich verteilt, sehr gut in den Rahmen der Ledertapete und der auf Leder gemalten Bilder des Hofmalers Louis de Sylvestre ein.

Richtigerweise hängt der berühmte 66 Ender auch dort. Man bezeichnet ihn als den vielendigsten Hirsch, der überhaupt bekannt ist, und hat ihn stets besonders ge­würdigt. Riedinger verewigte ihn auf einem Stich, und im 18. Jahrhundert wurde der Hirsch mit Geweih in Silber modelliert. König Friedrich I. von Preußen erlegte ihn am 18. September 1696 im Amt Fürstenwalde, dann wurde das Geweih dem benachbarten Fürsten, August dem Star­ken, für die Einrichtung seines neuen Jagdschlosses Mo­ritzburg geschenkt. Der 66 Ender ist an sich ein schwächerer Hirsch, der wäh­rend des Geweihwachstums irgendwo anrannte. Daraus entstanden die tellerartigen Flächen und die vielen Not­enden und kleinen Verzackungen. Bei großzügiger Zäh­lung kommt man an der einen Stange auf 33 Enden. Es ist auch bemerkenswert, dass man die interessantesten regelwidrigen (monströsen) Geweihe sammelte und in dem einen Saal unterbrachte.

Der Steinsaal schließlich weist Geweihe von Elchen und Rentieren auf, die Zar Peter der Große August dem Star­ken für die Ausstattung des Schlosses Moritzburg ge­schenkt hat. Interessant ist dort das sehr starke elchartige Geweih eines Urhirsches, das in der Krim ausgegraben wurde und ebenfalls zu den Geschenken des Zaren ge­hörte. Kurfürst Johann Georg III. hatte den Moritzburger Will­kommen eingeführt, einen Begrüßungstrunk, den jeder leisten musste, der das erste Mal in Moritzburg im Schloss zu Gast war. Es bestand auch das »Kurfürstliche Willkom­men-Register«, eine Art Gästebuch.

Der Willkommen wurde aus der bereits erwähnten Hirschstange getrunken, sowie aus einem Hirsch, einem Bär und einer Sau aus Sil­ber. Diese jagdlichen Embleme wiesen auch darauf hin, dass man sich in einem Jagdschloss befand. Quelle: Auszug aus „Mein Jagdbuch“ von Prinz Ernst Heinrich von Sachsen.

Die Jagd heute

Nach der Wiedervereinigung der zwei deutschen Staaten im Jahr 1990 konnten die Moritzburger Wettiner als direkte Nachkommen von Prinz Ernst Heinrich zumindest zwei Reviere ihrer enteigneten Ländereien zurück erwerben. Hierzu zählt das Revier „Kreyern“ im Moritzburger Friedewald und das Revier „Kienheide“ am Schönefelder Großteich.

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Das zweit genannte Revier wurde aus Naturschutzinteressen allerdings durch die BVVG recht unglücklich aufgeteilt, jagdlich gesehen bietet der nicht bejagte Teil allerdings einen guten Rückzugsbereich für Rotwild. In Moritzburg hingegen kommt das Damwild als Standwild vor, ist allerdings durch die starke Frequentierung der Erholungssuchenden heimlich und nachtaktiv geworden. Rehwild und Schwarzwild ist reichhaltig vorhanden und stellt den größten Teil der Strecke dar.

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Die Eigenjagden werden selbst bewirtschaftet und Daniel von Sachsen ist aus der jungen Generation der Wettiner, wie auch schon die meisten seiner Vorfahren, von jagdlicher Passion geprägt. Im Revier „Kreyern“ gibt es neben sechs Pirschbezirken einen Revierteil für Gäste und ein Rückzugsgebiet ohne Jagddruck für das Wild. Das Revier „Kienheide“ dient ausschließlich Jagdausflügen mit Freunden, Bekannten und Gästen. Für ein zünftiges und geselliges Zusammenkommen dient ein Holzblockhaus mitten im Moritzburger Revier.